Indien – vom Verstand in das Herz

Mit Spiritbalance als Working Guest nach Indien

(Ein Bericht von Alba)

Die Zeit in Indien verfliegt. Von der Dachterrasse unseres Hauses aus sind die im Wasser angelegten Reisfelder zu sehen, die, als ich das erste Mal von hier oben aus über die uns umgebende Landschaft sah, noch viereckige Tümpel waren, denen man nicht im geringsten das darin schlummernde Leben ansehen konnte.

Jetzt, vier Wochen später schmiegen sich die jungen Halme dicht aneinander und die Felder haben sich in saftig-grüne Teppiche verwandelt. Das Reisgras, der im Laufe des vergangenen Monats zu- und wieder abnehmende Mond und unsere von der Sonne dunkler werdende Haut, diese Dinge lassen uns der vergangenen Zeit vielmehr bewusst werden, als ein Kalender. Welches Datum wir heute haben? Keine Ahnung. Auch um den Wochentag herauszufinden, muss ich eine Weile nachdenken. Nicht mal den Sonntag kann man an geschlossenen Geschäften erkennen – hier wird jeden Tag gearbeitet. Statt uns des Kalendertages bewusst zu sein, spüren wir hier in den Moment hinein, so sehr, dass auch ab und zu mal ein “Termin” vergessen wird, oder der liebe Rikschafahrer Kumar, der uns in seinem kleinen gelben Gefährt sicher durch den wilden Verkehr bringt, auf uns wartet.

 

 

Während des Schreibens bemerke ich, dass ich gerne jeden Punkt erläutern würde, über so viele schöne Details würde ich gerne berichten. Warum habe ich zum Beispiel das Wort Termin in Anführungszeichen gesetzt? Mir kommt dieser Begriff in dieser Umgebung einfach so unpassend vor. Lachend muss ich an die vielen Vereinbarungen denken, die Bharati mit verschiedenen Menschen aus dem Ort Tiruvannamalai getroffen hatte, wovon der Andere oft ein paar Tage später plötzlich achselzuckend nichts mehr wusste: “But we had an appointment yesterday, you remember?” Die Reaktion zeigt gemäßigtes Interesse…“Oh okay, no problem, we make new appointment tomorrow!”

Vielleicht ist Indien auch deshalb so intensiv, auf Planungen wird wenig Energie verschwendet, was zählt, ist vor allem das Jetzt. Ich werde versuchen, mir von dieser Sichtweise ein Stückchen mit zurück nach Deutschland zu nehmen.

Zum Stichwort Intensität kann ich von vielen Bildern erzählen, die ich von dieser Reise in meinem Herzen mitnehmen will, und die alle kleine Puzzleteile meines jetzigen Gesamteindrucks des Landes sind: Da sind zum Beispiel die Farben, wunderschöne Saris in kräftigen Tönen, die bunten Blumengirlanden, die den Göttern geopfert werden und die Haare der Frauen schmücken – die wunderschönen Haare der Inderinnen, so lang, so kunstvoll geflochten.

Auch den Anblick der untergehenden Sonne hier werde ich nie vergessen. Wir waren im Ramana Ashram, genossen die Energie, die durch das gemeinsame Chanten so kraftvoll aufstieg und uns mit Ruhe und einer tiefen Beglückung erfüllte. Als wir aus dem Tempel heraustraten, bot sich uns das Bild des riesigen, tiefroten Sonnenballs am Himmel, der mit seiner Schönheit hinter den vom Gegenlicht schwarzen Palmen den Tag verabschiedete.

Doch nicht nur der visuelle Sinn wird hier mit Intensität gefüttert. Was mich wohl am Meisten berührt hat, ist die Herzoffenheit, mit der selbst die Ärmsten teilen. Die Armut ist natürlich ein großer Teil der Erfahrung hier, und meistens auch das, was wir in Deutschland als Erstes mit Indien verbinden.

Ja, es gibt hier viele Menschen, die sehr sehr arm sind, und es gibt welche, die nichts haben. Aber das sollte keinen abschrecken, hierherzukommen. Ich habe das Gefühl, als sei die Einstellung bezüglich materiellen Besitzes hier anders als bei uns – Reichtum ist kein hohes Ziel, denn wahrer Reichtum wird im Inneren gesucht.
Ob das überall im Land so ist, weiß ich nicht, aber Tiruvannamalai ist ein besonders spiritueller Ort. Die in Orange gekleideten Sadhus, die oft vollkommen besitzlos im Sand am Straßenrand sitzen, scheinen nicht unglücklich zu sein. Bharatis Haushaltshilfe Shanti hat ebenfalls wenig Geld und gibt es doch hingebungsvoll für Tierfutter aus, um all die ehemaligen Streuner zu versorgen, denen sie bei sich ein Heim gegeben hat.

Und dann gibt es überall Essen umsonst, in großen Mengen werden Reis und Gemüse ausgegeben. Jeder darf davon haben. Auch wir haben schon öfter an solchen Orten gegessen. Einfach, weil es so schön ist diese Gemeinsamkeit und Herzlichkeit zu spüren.
Zuerst hatte ich Angst, dass das die Wut der freiwillig Gebenden hervorrufen könnte – schließlich gelten wir Westler hier allgemein als unermesslich reich (was ich übrigens auf das Materielle beschränkt nun genauso wahrnehme), aber auch uns wurde mit einem warmen Lächeln ein voller Teller gereicht. Die Nachbarin hat mich auch schon zum Essen eingeladen.
Ist das nicht unglaublich?

Ich bin so glücklich, dass ich hier die Möglichkeit bekommen habe, in diese Betrachtung des Lebens hineinzuschauen: Alles ist Eins. Wenn du gibst, und das von Herzen, dann kommt etwas zurück. Allein schon die Freude des Teilens ist dann schon ein Geschenk.

Falls du auch mit Bharati und ihrer Familie mit nach Indien reisen möchtest, ist dies möglich. Schau doch einfach mal auf meiner Workaway-Webseite vorbei.

 

 

 

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